"Geh komm, das war doch nur Spaß."

Wie oft wir diesen Satz schon gehört haben. Warum er problematisch ist? Er entschuldigt pauschal Fehltritte. Praktischerweise ohne um Verzeihung zu bitten. Toller Nebeneffekt: er lenkt die Schuld an der unangenehmen Situation auch gleich auf die andere Person. Frei nach dem Motto “Ich habe einen Spaß gemacht, den DU falsch verstanden hast, weil DU keinen Humor besitzt.”

First things first. Was ist psychische Gewalt? Wo fängt sie an, wo hört der Spaß auf?

Psychische Gewalt definiert sich durch wiederholte verbale und emotionale Angriffe oder durch das Ausüben von seelischem Druck auf die Betroffenen. Dies umfasst Handlungen wie Demütigungen, Bedrohungen, Bloßstellen vor anderen, sowie Beleidigungen, die sich gegen das Äußere oder die Persönlichkeit richten.¹

Durch Mobbing, Degradierungen oder anzügliche Bemerkungen (sogenanntes Cat-Calling) wird der Selbstwert schleichend destabilisiert.

Oft geht psychische Gewalt mit einem ungleichen Machtverhältnis einher, wie in der Arbeit, der Schule, der Familie, in Beziehungen. Aber auch dem Freundeskreis oder gelegentlich mit Fremden. Es kann eine psychische, manchmal auch finanzielle Abhängigkeit zu dem missbräuchlichen System bzw. den agierenden Personen bestehen oder entstehen, was es noch schwieriger macht, zu gehen.

¹ Definition lt. oesterreich.gv.at

Video abspielen

Sexistische Kommentare und Grenzüberschreitungen am Arbeitsplatz spiegeln tief verwurzelte Ungleichheiten wider, die besonders Frauen treffen. Sexismus im Berufsleben äußert sich auf unterschiedliche Art und Weise, angefangen bei sexuellen Andeutungen und unangebrachten Fragen in Vorstellungsgesprächen bis hin zu ungleicher Bezahlung bei gleicher Arbeit, Mobbing und physischen Übergriffen.

Eine Untersuchung von Statistik Austria (2022) hebt hervor, dass zu den häufigsten Formen der sexuellen Belästigung unangemessenes Anstarren oder anzügliche Blicke (20,3%), sexuell gefärbte Witze oder übergriffige Bermerke über den Körper oder das Privatleben (16,2 %), sowie ungewollter körperlicher Kontakt (14,6 %) zählen.

Break the cycle.

Du bist von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz betroffen oder kennst eine Person in deinem Umkreis, die es ist? Ob anonym oder klar, melde den Vorfall und lass dich kostenlos beraten.

Video abspielen

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Sei es auf der Straße, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder beim Feiern – Frauen sind solchen Übergriffen (Cat-Calling) ausgesetzt. Eine Studie mit über 6.000 Frauen aus sechs Ländern zeigt, dass 40% der Frauen schon einmal auf der Straße verfolgt oder ungewollt berührt wurden, während rund ein Drittel sexistische Äußerungen ertragen musste und 10% körperliche Gewalt erfuhr.

Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf körperbezogenen Kommentaren, die nicht nur die physische Autonomie der Frau untergraben, sondern auch ein Umfeld der Einschüchterung und des Unwohlseins schaffen. Es geht hierbei nicht nur um die Worte selbst, sondern um die Machtstrukturen, die diese Worte ermöglichen und normalisieren.

The 5Ds of bystander intervention

Für den Fall, dass du Zeug*in einer solchen Situation wirst, mach dich mit der 5D-Methode vertraut. Die amerikanische NGO “Right to be” hat diese Methode entwickelt, mit der du Betroffenen im Ernstfall helfen kannst.

Lass es raus

Schreib dir die hässlichen Erlebnisse von der Seele. Unter den hier angeführten Links erreichst du die Plattformen > Catcalls of Vienna | Catcalls of Graz | Catcalls of Linz. Diese sammeln und teilen diese Meldungen, sodass sie die Öffentlichkeit sehen kann. Natürlich anonym.

Video abspielen

Der Machtmissbrauch äußert sich häufig in Form von sexueller Belästigung, erzwungener Zustimmung oder der Ausnutzung von Abhängigkeiten, wobei die Machthabenden ihre Position einsetzen, um Widerstand zu unterdrücken und die Betroffenen zum Schweigen zu bringen.

Die Auswirkungen von Machtmissbrauch sind tiefgreifend und vielschichtig, wobei die Betroffenen häufig unter einer Reihe psychischer Belastungen leiden, darunter Depressionen, Angstzustände, Panikattacken und Schlafprobleme. Besonders gravierend ist der Einfluss, wenn die machtausübende Person eine Schlüsselrolle im Leben oder der Karriere der Betroffenen spielt, was zu einem Zustand der Hilflosigkeit und Isolation führt.

Junge Frauen sind von den Folgen des Machtmissbrauchs besonders stark betroffen. Sie stehen einem erhöhten Risiko sexueller Belästigung gegenüber – 28% der Frauen im Alter zwischen 18 und 29 Jahren haben solche Erfahrungen bereits gemacht. Die Digitalisierung verschärft das Problem, indem sie neue Kanäle für sexuelle Belästigung eröffnet, durch die junge Frauen zunehmend unerwünschte sexuelle Inhalte erhalten, was wiederum ihr psychisches Wohlbefinden stark beeinträchtigt.

⁴ FRA – Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (2014)

SOS

Folgende Helplines kannst du 24/7 kontaktieren, wenn du von Belästigung oder Übergriffen jeglicher Art betroffen bist, oder eine Person kennst, die es ist. Auch anonym möglich.

> Frauenhelpline: 0800 222 555
> Frauennotruf der Stadt Wien: 01 71 71 9
> Rat auf Draht: 147
> Frauenhausnotruf Wien: 05 7722
> Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie: 01 585 32 88
> Notfallpsychologischer Dienst Österreich 24h Hotline: 0699 188 554 00

Systeme ändern sich nur, wenn wir es tun.

Uns ist klar, dass sich das Patriarchat nicht von heute auf morgen in Luft auflöst. Wir leben es Tag für Tag, manche mehr und manche weniger. Aber Bewusstseinsbildung können wir alle üben. Was sind Grenzen? Wann werden Grenzen verletzt? Vor allem bei der Phrase “…war doch nur Spaß” sollten ab sofort alle Alarmglocken läuten.